Freie Schule bringt „Jugendschule“ auf den Weg

Basierend auf dem Konzept des „Erdkinderplans“ nach Maria Montessori startet die Freie Schule Lindau im September mit einem großen Kultur-Projekt als Jugendschule.

Aber was ist das, der „Erdkinderplan“ oder die „Jugendschule?

Anders als es der Name auf den ersten Blick vermuten lässt, ist der Erdkinderplan keine  „Gartengruppe für Kinder“, sondern ein komplexes pädagogisches Konzept für das Jugendalter.

Der Erdkinderplan, wie ihn Maria Montessori im Original bereits in den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts gemeinsam mit ihrem Sohn entwickelt hat, ist Antwort auf die Entwicklungsbedürfnisse von Jugendlichen im Alter von ab etwa 12 Jahren bis zur Volljährigkeit und die Basis für ihre Entwicklung zu verantwortungsbewussten Erwachsenen in der Gesellschaft.

Maria Montessori selbst nannte dieses Konzept deshalb auch „Erfahrungsschule des Sozialen Lernens“.

Das Jugendalter (ca. 12 – 18 – Jährige), für das Montessori die „Jugendschule“ entwickelt hat, ist die dritte von ihr beschriebene Lebensphase, eine sehr instabile Phase und eine Phase gravierender körperlicher und seelischer Umbrüche.

Nach dem Bedürfnis nach körperlicher Unabhängigkeit bei jungen Kindern (0 – ca. 6 Jahre) und dem Bedürfnis nach geistiger Unabhängigkeit in den ersten Schuljahren (ca. 6 – 12 Jahre) steht nun vor allem das Bedürfnis nach sozialer und ökonomischer Unabhängigkeit im Vordergrund.

Die zentralen Fragen dieses Alters sind:

  • Wer bin ich?
  • Wer kann/werde ich sein?
  • Welche Rolle kann/werde ich in meinem Umfeld/ in der Gesellschaft spielen?

In diesem Alter treten neben den körperlichen Veränderungen auch emotional zahlreiche Zweifel und Unsicherheiten, starke Gemütsbewegungen und Entmutigungen auf. Viele Familien kennen dies als Zeit der Pubertät ihrer Kinder. Es ist die Phase, in der Jugendliche sich viel mit Gerechtigkeit und Menschenwürde beschäftigen und sehr sensibel für soziale und gesellschaftliche Prozesse sind.

Montessori schreibt für die Jugendzeit daher auch nicht das Konzept der Grundschule fort (stellt sich also grade KEINE „weiterführende“ Schule vor in dem Sinne, dass die Schule in der Form der ersten 4 -6 Schuljahre mit neuen Inhalten „weitergeführt“ wird), sondern plädiert für eine radikale Zäsur und die Entschulung des Lernens.

Das originale Konzept des „Erdkinderplanes“ hat sie in einer Lebensform auf dem Land  als

 „Studien- und Arbeitszentrum“ entwickelt, bestehend aus

• einem Bauernhof als Stätte der Produktion

• einem Geschäft/Hofladen als Stätte des Vertriebs, des Warenaustausches und der Kommunikation

• einem Gästehaus als Dienstleistungs- und Kontakteinrichtung sowie der

• Verwaltung der Gesamteinrichtung

„Jugendliche brauchen eine Schule, die keine Schule ist“
(Maria Montessori)

Ganz so weit können, wollen und werden wir nicht gehen.

Aber wir haben versucht, die Idee dahinter in eine für unsere Umgebung und unser Konzept passende Form zu übersetzen.

Und da es im Kern darum geht, auf die zentralen Fragen und Entwicklungsbedürfnisse der Jugendlichen Antworten zu entwickeln und eine für diesen Anspruch angemessene „Vorbereitete Umgebung“ zu schaffen, haben wir uns in einem innerschulischen Prozess entschieden, unseren „Erdkinderplan“ als Vertiefung und Ausbau unseres Profilbereichs „Theaterpädagogik“ zu entwickeln.

Ziel ist es dabei, die Prinzipien des Erdkinderplans in ein großangelegtes Kulturprojekt mit Schwerpunkt Theater zu übersetzen, also den Jugendlichen im übertragenen Sinn (auf inhaltlicher / künstlerischer/persönlicher/gemeinschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene) „säen, pflegen & ernten“ – Erfahrungen zu ermöglichen. Und das in einem Drittel der Zeit außerhalb des Schulhauses.

Jeweils ca. 16 Jugendliche im Alter von 13 bis 15 Jahre dieser Stufe werden über das gesamte Schuljahr rollierend für immer zwei Wochen außerhalb im Kulturprojekt lernen und arbeiten, während die anderen in der Schule sind.

Durch eine Kooperation mit der Dialoge – Bodensee Sprachschule, die bereits seit drei Jahrzehnten auf der Lindauer Insel Deutsch als Fremdsprache unterrichtet und seit geraumer Zeit vermehrt Programme wie Englischferienkurse oder Abendkurse für regionales Klientel anbietet, konnten wir die alte Zollhalle im Bahnhof als idealen Umsetzungsort gewinnen. In einem ersten Schritt werden sich die Jugendlichen nun bereits im September mit Vereinsgrundlagen und Schülerfirma beschäftigen. Die Wahlpflichtfächer Wirtschaft (z.B. Vereinsgründung, Projektplanung), Soziales und Ernährung (Catering) und Technik (Licht- und Tontechnik, Bühnenbild u.v.m.) werden neben der Theaterpädagogik die zentralen Säulen des Projekts sein. Begleitet und geleitet wird das Projekt von Theaterpädagogin Francesca Motta.

Neben der Kooperation mit Dialoge sind weitere Kooperationen mit Theaterschaffenden im Bodenseekreis, sowie die Zusammenarbeit mit professionellen Schauspielern, Bühnenbildnern, Grafikern… geplant.

Wir freuen uns auf neue Erfahrungen und Wege und hoffen im September wie geplant starten zu können.